Vorgeschichte: Als ich mir die Schulunterlagen der Kinder angeschaut habe, bin ich stutzig geworden. Es sind bei mir einige Fragen aufgekommen:
- Was macht Ihr überhaupt in der Schule?
- Schreibt Ihr auch etwas auf?
- Wieso sind da so viele Fehler drin? Inhaltlich als auch Thematisch?
- Wieso dürft Ihr noch kleine 1mal1 Spickzettel in der sechsten Klasse nutzen?
- Wie, ihr habt in zwei Monaten gerademal 20 neue Vokabeln gelernt?
Ich könnte ewig so weiter machen…
Bei einer Feier habe ich dann mit einer befreundeten Englischlehrerin von einer Oberschule gesprochen. Auf der Oberschule sitzen Haupt- und Realschüler zusammen. Ich hab sie direkt gefragt, was ist da los an den Schulen? Kann das sein, dass die Klassenarbeiten immer leichter werden?
Ich bekam als Antwort ein ganz klares: Ja…
Es ist so, dass die Schüler, gerade auf der Oberschule, nicht besonders lernwillig sind. Die Lehrer haben arge Probleme den vorgeschriebenen Stoff zu schaffen. Schon alleine weil die Grundlagen fehlen um den Lernstoff zu vermitteln.
Da die Schüler nicht viel lernen, müssen die Klassenarbeiten relativ einfach gehalten werden, da sonst die Noten zu schlecht ausfallen würden. Wenn eine Arbeit zu schlecht ausgefallen ist, muss der entsprechende Lehrer zum Rektor und sich das Neuschreiben der Klassenarbeit genehmigen lassen. Das ist aber auch nicht unbegrenzt möglich. Wenn die Schüler dann aber reihenweise schlechte Noten kassieren und sitzen bleiben, dann sind immer die Lehrer schuld. Und wenn viele Schüler sitzen bleiben, dann ist die Schule schlecht. Und wenn die Schule schlecht ist, dann werden die Kinder auf andere Schulen geschickt. Und da diese Schule fast eine „Dorfschule“ ist, haben die sowieso schon Probleme neue Schüler zu bekommen. Aus diesem Grund werden die Klassenarbeiten schon so einfach wie möglich gehalten. Ihre Kollegin hat noch ein zusätzliches Problem. Sie muss eine einfache Arbeit noch einfacher gestalten da sie zusätzlich noch Inklusionskinder in der Klasse hat…
Und da habe ich für mich beschlossen, da stimmt doch was nicht.
Durch Zufall bin ich dann bei Focus Online auf das Buch aufmerksam geworden. Ich wusste sofort, dass muss ich lesen.
Michael Winterhoff ist ein Kinder- und Jugendpsychologe und hat somit jede Menge Erfahrung mit Kindern und Jugendlichen.
Im großen Ganzen behauptet er, die Schule ist nach der ersten PISA Studie kaputt reformiert worden. Deutschland hat in der Studie 2001 sehr schlecht abgeschlossen und nun wurden Reformationen ohne Ende auf den Weg gebracht.
Unter anderem geht es darum, dass die Lehrer keine richtigen Lehrer mehr sein dürfen und eher Lernbegleiter sind. Die Schüler können sich nun selbst aussuchen was und welchem Tempo sie lernen. Der Lehrer leitet die Schüler nicht mehr an, er begleitet sie nur noch beim Lernen.
Die Missstände an den Schulen prangert er ebenfalls an. Es ist so laut in den Klassenräumen, dass die Schulen über Schallschutz in den Klassenräumen nachdenken, anstatt das ursprüngliche Problem, zu laute Schüler, anzugehen. Das geht soweit, das Eltern Ihren Kindern Schallschutzkopfhörer für die Schule kaufen sollen, falls sie in der Schule in Ruhe arbeiten wollen.
Es gibt auch nicht mehr genug Lehrer um sich um die Schüler zu kümmern. Bei 30 Kindern pro Klasse bleiben einfach zu viele auf der Strecke. Auch die Hausaufgabenbetreuung wird nicht mehr von ausgebildeten Pädagogen gemacht, sondern von FSJ’lern oder ähnliches. So kommt es auch vor, dass die Kinder nach der Hausaufgabenbetreuung nach Hause kommen noch lange nicht fertig sind und der Rest zu Hause gemacht werden muss. Es achtet einfach keiner mehr auf die Schüler.
Laut Winterhoff beginnt das Problem schon im Kindergarten. Die Kinder sollen sich frei entfalten können und nur das machen, was ihnen Spaß macht. So kann es sein, dass ein Kind im Kindergarten nicht einmal eine Scheere in der Hand hatte bevor es in die Schule kommt.
Und da die Kinder immer nur das machen was sie wollen, sei es im Kindergarten oder in der Grundschule, haben sie Probleme in anschließenden Schulen sich zurechtzufinden.
Es geht mittlerweile soweit, dass die Jugendlichen nach ihrer Pflichtschulzeit von 10 Jahren schlicht nicht fähig sind eine Ausbildung zu beginnen. Es gibt mittlerweile mehr freie Lehrstellen als Auszubildende. Einfach, weil den Jugendlichen die erforderlichen Fähigkeiten fehlen. Auch die Zahlen der Studienabbrecher steigt jährlich an. Der Druck scheint für viele einfach zu groß zu sein.
Ich möchte hier jetzt nicht zu viel spoilern, aber das Buch hat mich echt geschafft. Ich hab die etwa 200 Seiten in knapp einer Woche durchgelesen und mir tatsächlich das Buch physisch vor den Kopf geknallt und „Das kann doch nicht wahr sein“ gedacht. Aber genau wie Winterhoff es schreibt, so empfinde ich die aktuelle Lage in den Schulen. Ich kann das 1:1 nachvollziehen und das mit meiner Erfahrung abgleichen. Es ist wirklich so schlimm wie ich vermutet habe.
Also wenn man Lust hat sich tierisch zu ärgern, dann sollte man das Buch lesen. Ganz besonders wenn man selber Kinder hat….